Erfindung der Hybridom-Technik

Am 7. August 1975 veröffentlichten César Milstein und Georges Köhler ihr bahnbrechendes Paper über die Produktion monoklonaler Antikörper in immortalisierten Zelllinien. Neun Jahre später erhielten sie gemeinsam mit dem dänischen Immunologen Niels K. Jerne den Medizinnobelpreis "für Theorien über den spezifischen Aufbau und die Steuerung des Immunsystems und für die Entdeckung des Prinzips der Produktion von monoklonalen Antikörpern".

César Milstein: Kindheit und Ausbildung in Argentinien

César Milstein, geboren 1927, wuchs als Sohn jüdischer Einwanderer in der Provinzhauptstadt Bahía Blanca in Argentinien auf. Seine Faszination für Naturwissenschaften wurde bereits in jungen Jahren durch das Buch "Mikrobenjäger" von Paul de Kruif und die Erzählungen einer von Milsteins Cousinen geweckt, die am Instituto Malbran die Chemie von Schlangengiften untersuchte. Milstein begann 1945 sein Studium der Chemie an der Universität von Buenos Aires und erhielt seinen Abschluss 1952. Da Milstein sich als ehemaliger Präsident der regierungskritischen Studentenvereinigung als mögliches Ziel polizeilicher Willkür sah, entschieden er und seine Frau die Zeit politischer Unruhen mit einer einjährigen Reise durch Europa zu überbrücken. Nach seiner Rückkehr 1954 begann er seine Doktorarbeit im Bereich der Enzymologie unter Professor Andrés Stoppani.

Cambridge oder hin, zurück und wieder dorthin

Nach seiner Dissertation 1957, emigrierte Milstein nach Cambridge und erforschte dort in der AG von Malcolm Dixon die Wirkung von Metallionen auf die Aktivität der Phosphoglucomutase. Hier lernte er auch den (damals noch einfachen) Nobelpreisträger Frederick Sanger kennen, dessen Arbeiten zur Sequenzierung von Proteinen und Nukleinsäuren Milsteins weitere wissenschaftliche Karriere zumindest methodisch entschieden prägten. Milstein wurde schließlich für eine Professur am Instituto Malbran berufen, wo er für zwei Jahre das Department für Molekularbiologie leitete, bevor ihn erneute politische Unruhen und Verfolgung zum Auswandern zwangen. Er fand wieder eine Stelle in Cambridge am Laboratory of Molecular Biology (LMB) und verlegte seinen wissenschaftlichen Fokus von der Enzymologie auf die Forschung an Antikörpern. Besonders interessierten ihn die Mechanismen hinter der Funktionalität und Vielfältigkeit der Antikörper. Sich der klassischen Methoden der Proteinchemie bedienend, erforschte Milstein somit zunächst das Bence-Jones Protein, ein Komplex zweier leichter Immunglobulin-Ketten. Dieses ist leicht verfügbar, da es sich im Urin vieler Multiplem Myelom Patienten findet. Die nötigen Proteinsequenzierungen waren Anfang der Sechziger noch ein langatmiges und arbeitsintensives Unterfangen, doch Milstein und seinen Mitarbeitern gelang es in den folgenden Jahren sowohl die Position als auch die strukturelle Funktion der Disulfidbrücken in Bence-Jones Protein sowie einiger Antiköperklassen aufzuklären. Mit Beginn der Siebziger richtete sich Milsteins Interesse mehr und mehr auf die genetischen Ursprünge der Antikörperdiversität. Vor der Erfindung der PCR war DNA-Sequenzierung zu diesem Zweck nicht praktikabel und so lag der Fokus der Untersuchungen auf der mRNA Antikörper-sekretierender Tumore. Aufgrund der eher mageren Resultate dieser Forschung, wurde nach einigen frustrierenden Monaten aber die Notwendigkeit der Etablierung eines Zellkultursystems erkannt. Milstein wählte in Kollaboration mit dem Pathologen George Brownlee die Maus-Myelomzelllinie MOPC21 aus, primär wegen ihrer Wachstumsfreudigkeit und der hohen Immunglobulinproduktion.

Vom Myelom zum Hybridom

Innerhalb der nächsten zwei bis drei Jahre etablierte Milstein mit seinen Studenten und Postdocs - besonders zu erwähnen David Secher und Dick Cotton - Protokolle für die Kultur sowie das Isolieren und Klonen von Myelomzellen. Besonders wichtig war Cottons Entdeckung, dass die aus der Fusion zweier verschiedener Myelomzellen resultierenden Hybridzellen die Ketten beider ursprünglicher Immunglobuline exprimieren.

Nachdem er ihn im Jahr zuvor bei einer Gastlesung in Basel getroffen hatte, trat der Deutsche Georges Köhler, fasziniert von Milsteins Forschung, dessen Arbeitsgruppe bei. Köhler begann seine Postdoczeit mit der Suche nach V-Regionsmutanten der MOPC21- Myelomzellen. Durch die Untersuchung dieser Mutanten erhofften sie sich Rückschlüsse auf die genetischen Mechanismen hinter der Antigenbindung. Die Ergebnisse waren häufig enttäuschend; zum einen wegen der Seltenheit von V-Mutanten, zum anderen da sich die Spezifität dieser Antikörper nicht steuern ließ. Dick Cottons frühere Experimente sowie eine 1974er Publikation von J. Schwaber und E. Cohen, in der sie die Fusion menschlicher Lymphozyten mit Myelomzellen beschrieben, wurden nun relevant. Köhler und Milstein fragten sich, ob es möglich wäre durch Fusion von B-Zellen vorher immunisierter Mäuse mit ihren Myelomzellen immortalisierte Hybridzellen herzustellen. Im Idealfall sollten diese sogenannten Hybridome dann denselben Antikörper wie die eingesetzte B-Zelle produzieren. Sie versuchten es und durch eine Aneinanderreihung glücklicher Umstände funktionierte es im ersten Versuch. Durch die Isolation und Vermehrung ihrer Hybridzellen etablierten Köhler und Milstein die ersten Hybridom-Zelllinien. Ihre Publikation von 1975 über diese Experimente wurde zum häufig zitierten wissenschaftlichen Standard und 1984 wurde ihre Arbeit schließlich mit dem Nobelpreis gewürdigt. Innerhalb weniger Jahre nach der Publikation wurden erst hunderte und nun viele zehntausende verschiedene monoklonale Antikörper erschaffen, die weltweit ihren Weg in die Labore und seit einigen Jahren auch in der Klinik erfolgreiche Anwendung gefunden haben.

Epilog

Wenn Sie an einer detaillierteren Beschreibung der wissenschaftlichen Karriere César Milsteins und der Erfindung der Hybridom-Technik interessiert sind, empfehlen wir Ihnen wärmstens ein Blick auf whatisbiotechnology.org's Ausstellung über César Milstein und die frühen monoklonalen Antikörper .

Autor: Mike Jones. Die Grafik steht unter der Creative Commons Attribution-Share Alike 3.0 Unported Lizenz

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