Ghost Red Blood Cells - Ein natürliches Drug Delivery System

Ghost Red Blood Cells werden in der biomedizinischen Forschung als natürliches Drug Delivery System zur gezielten und nebenwirkungsarmen Behandlung von intravaskulären und extravaskulären Krankheiten eingesetzt. Das therapeutische Spektrum ist dabei groß und auch zur Beantwortung vieler grundlegender biologischer Fragen bieten Ghost Red Blood Cells neue Möglichkeiten.

Was sind Ghost Red Blood Cells?

Als Ghost Cells werden klassischerweise vergrößerte eosinophile Epithelzellen bezeichnet, die keinen Zellkern mehr besitzen, jedoch Zytoplasma und eine intakte Zellmembran aufweisen. Ghost Cells entstehen durch eine koagulative Nekrose, bei der die Zellarchitektur erhalten bleibt, es aber dennoch zum Zelltod kommt. Sie werden häufig an Läsionen in oder um Tumoren gefunden aber auch als Ghost Blood Cells in Vollblut-Ausstichen. Rote Blutkörperchen besitzen von Natur aus keinen Zellkern. Sie werden jedoch zu Ghost Red Blood Cells, wenn bei ihnen ein Verlust des roten Blutfarbstoffes stattfindet, die Zellmembran jedoch weitestgehend intakt bleibt. Bei einer mikroskopischen Untersuchung eines Blutausstriches kann man die Ghost Red Blood Cells als transparente Zellen erkennen, die sich ansonsten morphologisch nicht von normalen roten Blutkörperchen unterscheiden.1

Ghost Red Blood Cells als vaskuläres Drug Delivery System

Die vaskuläre Verabreichung verschiedenster Wirkstoffe/Arzneimittel stellt nach wie vor eine große biomedizinische Herausforderung dar. Therapeutische Wirkstoffe sollen zur optimalen Wirksamkeit eine lange Halbwertszeit aufweisen, ihre Zielstruktur spezifisch finden und möglichst geringe Nebenwirkungen erzeugen. Dazu werden sogenannte Drug Delivery Systeme (Medikamentenverabreichungssyteme), kurz DDS verwendet.  Dabei werden vaskuläre DDS in drei Typen unterteilt:

  1. Künstliche DDS (z.B. Nanocarrier aus synthetischen Komponenten)
  2. Natürliche DDS (Zellen oder Zellfragmente)
  3. Hybride (Kombinationen aus künstlichen und natürlichen Komponenten)

Seit 1970 werden Erythrozyten (Red Blood Cells, RBC) als natürliche DDS beschrieben und in verschiedenen Studien und Tiermodellen sowie am Menschen erforscht. Die RBCs werden dabei als Ghost Red Blood Cells eingesetzt. Den Zellen wird chemisch ihr Hämoglobin entzogen, wobei die Zellmembran intakt bleibt. Erythrozyten besitzen von Natur aus keine Zellorganellen oder einen Zellkern, sodass nach der Entfernung des Hämoglobins eine Ghost Cell zurückbleibt. Das gesamte Volumen der Ghost RBC kann nun zum Transport von Wirkstoffen oder auch biochemischen Sonden genutzt werden. Als Alternative zum Einkapseln von Stoffen in die Ghost RBC, können diese zum Transport auch an die Membran der Zelle gekoppelt werden.1,2

Vorteile der Ghost Red Blood Cells

Erythrozyten sind natürliche „Lieferanten“, die Sauerstoff binden und durch den Körper transportieren. Dadurch können sie für den Transport, die Lokalisation und den Abbau natürliche Mechanismen im Zielorganismus nutzen. Sie kommen in hoher Zahl vor (ca. 5 Millionen RBCs pro Mikroliter Blut eines Erwachsenen) und sind leicht und günstig zu isolieren.  Es ist sowohl möglich mit Spenderzellen zu arbeiten, als auch mit Zellen, die dem Patienten selbst entnommen wurden. Ghost Red Blood Cells haben als natürliches DDS eine hohe Biokompatibilität und zirkulieren 3 Monate im menschlichen Blutkreislauf und 40 Tage in der Maus. Dieser lange Verbleib von Ghost RBCs im Organismus stellt eine Möglichkeit dar auch daran gekoppelte Medikamente lange im Blutkreislauf zirkulieren zu lassen. Besonders für intravaskuläre Ziele stellt dies einen enormen Vorteil dar. Aber auch für extravaskuläre Ziele, die für RBCs zugänglich sind, erhöht sich dadurch die Bioverfügbarkeit des gekoppelten oder verkapselten Wirkstoffes. Dadurch ist es möglich eine geringere Dosierung einzusetzen, was in vielen Fällen eine Minderung von Nebenwirkungen zur Folge hat. Entweder gelangen die gewünschten Stoffe langsam durch Diffusion über die Zellmembran in den Blutkreislauf oder durch natürlichen Abbau der RBCs mit anschließender Freisetzung des Stoffes. Zu den intravaskulären Einsatzmöglichkeiten zählen das Verkapseln von thrombolytischen Medikamenten oder Anti-Thrombose Wirkstoffen wie z.B. Heparin. Aber auch Antibiotika, Steroide und Insulin sind gute Kandidaten, um in Ghost RBCs verpackt zu werden. Eine weitere Einsatzmöglichkeit stellt die Gabe von chemotherapeutischen Medikamenten in der Krebstherapie dar. Darüber hinaus eigenen sich Ghost RBCs aber auch dazu verschiedenste Forschungsreagenzien zu transportieren. Es können Proteine, Fluoreszenzfarbstoffe aber auch Vektoren in die Zellen eingebracht und in Modellorganismen appliziert werden.3

Ein Fallbeispiel aus der Forschung

Eine praktische Anwendung von Ghost RBCs zeigt Dr. Johanna Clauser von der RTWh der Universität Aachen. Sie nutzt Ghost RBCs zur Detektion von Hämolyse-Prozessen in künstlichen Herz-Kreislauf-Unterstützungssystemen, wie zum Beispiel Blutpumpen oder Herzklappen. Ein großes Problem solcher Systeme ist eine vermehrte Hämolyse der Erythrozyten im Blutkreislauf. Der Verlust von Hämoglobin und damit der Verlust der Sauerstofftransportfähigkeit der Zellen soll bei der Verbesserung solcher Systeme minimiert werden. Um zu bestimmen, wo genau die Hämolyse stattfindet, eignet sich Blut leider nicht, da es für optische Strömungsanalysen nicht transparent genug ist. Hier ist nur eine quantitative Bestimmung der Hämolyse möglich. Um den Ort der Degradation der RBCs bestimmen zu können, belädt Dr. Clauser Ghost RBCs mit einem Calcium-Komplex. Diese werden zusammen mit einem Trägerfluid, dass einen Calcium-sensitiven Fluoreszenzfarbstoff enthält, in das Testsystem gegeben. Werden an einer Stelle beladene Ghost RBCs mechanisch beschädigt, kommen Calcium und Farbstoff in Kontakt. Dies erzeugt am Ort der Hämolyse ein detektierbares Fluoreszenz-Signal.4

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Ghost RBCs ein vielseitig einsetzbares Drug Delivery System für eine Vielzahl an Medikamenten darstellen. Auch der mögliche Einsatzbereich innerhalb der biomedizinischen Forschung ist groß und bietet spannende Möglichkeiten.

Referenzen

  1. Villa CH, Anselmo AC, Mitragotri S, Muzykantov V. Red blood cells: Supercarriers for drugs, biologicals, and nanoparticles and inspiration for advanced delivery systems. Adv Drug Deliv Rev. 2016 Nov 15;106(Pt A):88-103.
  2. Villa CH, Seghatchian J, Muzykantov V. Drug delivery by erythrocytes: "Primum non nocere". Transfus Apher Sci. 2016 Dec;55(3):275-280.
  3. Muzykantov VR. Drug delivery by red blood cells: vascular carriers designed by mother nature. Expert Opin Drug Deliv. 2010 Apr;7(4):403-27.
  4. https://www.ame.rwth-aachen.de/go/id/pmnx/lidx/1

Produkte von Rockland Immunochemicals

Tags: Rockland