Von der Laborwissenschaftlerin zur Firmeninhaberin: Sally Hed Dahlquist über die Geschichte von ICT

Was ist Deine Rolle bei ICT und wie lange bist Du schon in dem Unternehmen?
Ich bin Sally Hed Dahlquist und ich bin die Präsidentin und Inhaberin von ImmunoChemistry Technologies. Ich war eine der ersten Mitarbeiterinnen des Unternehmens als es 1994 losging. Die damaligen Eigentümer konnten mich nicht bezahlen, also gaben sie mir stattdessen Anteile an der Firma. Irgendwann, als sie in Rente gingen, kaufte ich die verbleibenden Anteile. Ich schätze, das ist ziemlich ungewöhnlich: Ich habe als Laborwissenschaftler angefangen und bin jetzt der Eigentümer.

Welche wichtigen Produktlinien liefert ICT den Forschern?
Wir haben zwei sehr unterschiedliche Produktlinien. Eine davon sind unsere ELISA-Lösungen für Wissenschaftler, die ihre Assays selbst durchführen. Sie können von uns beispielsweise einen Coating-Puffer, einen Blocking-Puffer oder einen Konjugat-Stabilisator für Ihre Versuche beziehen. Unsere anderen Produktlinien sind zellbasierte Assays wie FLICA®, FLIVO® und Magic Red®. Damit können Wissenschaftler Zellviabilität, Zelltod und Apoptose durch Caspase-Aktivität analysieren, entweder in vitro, in einer Petrischale oder in vivo, indem Sie sie direkt in das Tier injizieren.

Was ist die Geschichte hinter dem Firmennamen?
Unser Name ist ImmunoChemistry Technologies und dieser ist ziemlich lang. Ursprünglich haben wir den Namen wegen unserer Diensleistungen rund um die Assay-Entwicklung gewählt. Wir haben ELISA-Kits entwickelt, welche immunochemische Assays darstellen. Aus diesem Grund wurden wir zu ImmunoChemistry Technologies, was wir zu ICHEM verkürzt haben. Dann bekamen wir ein Unterlassungsschreiben von Nalgene®, weil diese Flaschen unter dem gleichen Namen anboten. Also mussten wir unseren Namen auf ICT verkürzen. Wir ließen einen Designer kommen und das Logo für uns entwickeln, was sehr gut gelungen ist. Es sieht aus wie ein kleiner Antikörper mit einem Antigen als Symbol für unsere Assay-Entwicklungsdienstleistungen und die ELISA-Puffer, die wir verkaufen. Wir werden häufig gefragt, ob wir Antikörper verkaufen und eigentlich tun wir das nicht, aber wir können Antikörper herstellen lassen, wenn jemand sie braucht.

ImmunoChemistry-Technologies

Welches war das erste Produkt, das ICT verkaufte?
Wir begannen zunächst mit dem Verkauf von Dienstleistungen, also dem Entwickeln von Tests für Kunden. Wir erhielten zunächst einige Aufträge, weil wir eine kleine, winzige Werbung auf der Rückseite von Nature Methods platzierten. Ein Wissenschaftler eines Lebensmittelkonzerns rief uns an und sagte, sie bräuchten Hilfe bei der Entwicklung eines Tests. So haben wir als Dienstleistungsunternehmen angefangen und dann als Teil davon unsere ELISA-Puffer verkauft, weil einige Leute Hilfe bei der Verbesserung ihrer Assays benötigten. Sie kamen mit Ihren Problemen zu uns und wir hatten einige wirklich gute Produkte, die das lösen konnten, weil wir im Laufe der Jahre so viele Assays entwickelt hatten.


Klingt nach einer guten Konversionsrate.
So startete im Grunde genommen das Unternehmen. Wir haben also nicht wie andere in einer Garage angefangen. Die Gründer des Unternehmens mieteten sofort einen Laborraum, und zwar in dem Gebäude, in dem General Mills seinen Anfang nahm und in dem sie Cheerios-Frühstücksflocken erfanden.

Dein Unternehmen hat seinen Sitz in Bloomington, Minnesota. Wenn man nach Bloomington googelt, stößt man als erstes auf die Mall of America, das zweitgrößte Einkaufszentrum in den USA. Interessanterweise hängt dort ein roter Sitz an einer Wand. Ist Dir das schon einmal aufgefallen?
Oh ja, natürlich haben wir den roten Sitz an der Wand gesehen. Die Mall of America in Bloomington ist gefährlich nah an unserem Büro. Sie ist nur etwa zwei bis drei Meilen entfernt und ich fahre jeden Tag auf dem Weg zur Arbeit daran vorbei.

Mall-of-America

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Also kennst Du wahrscheinlich auch all die anderen Dinge, die dort versteckt sind.
Wir kennen viele Leute, die dort arbeiten. Es macht immer Spaß vorbeizuschauen. Sogar im Winter ist es schön, weil das Zentrum des Einkaufszentrums bedeckt ist und es Fenster gibt, die das Sonnenlicht hereinlassen. Es fühlt sich ein bisschen an wie in den Tropen - quasi wie ein kleiner Mini-Urlaub.

Und man kann sogar mitten im Einkaufszentrum Achterbahn fahren.
Ja und das macht auch wirklich Spaß. Man kann dort heiraten, zur Schule gehen und es gibt sogar eine Universität. Bevor das Einkaufszentrum gebaut wurde, stand an dieser Stelle das Metropolitan Stadium mit seinem Baseballfeld. Es war ein wirklich wichtiger Ort in Minnesota. Es gab dort auch viele große Konzerte. Ich erinnere mich bespielweise noch gut an den Auftritt von Culture Club. Einer der Gründer unseres Unternehmens, Dr. Brian Lee, arbeitete früher selbst im Baseballstadion. Er verkaufte Bier und Erdnüsse und lief die Treppen hoch und runter. Er hat sich dadurch das College finanziert. Er wuchs in Richfield, einem Vorort von Bloomington auf, der nur etwa eine Meile von der Mall of America entfernt liegt. Wir gingen beide auf das Normandale Community College, das sich ebenfalls in Bloomington befindet. Später zog es uns beide an die University of Minnesota. Die meisten von uns stammen aus dieser Gegend.

Wie waren denn die Reaktionen als angekündigt wurde, das Stadion für ein Einkaufszentrum abzureißen?
Das Metrodome war bereits gebaut und man suchte nach einer guten Möglichkeit, das Gelände weiter zu nutzen. Es befindet sich direkt neben dem MSP-Airport. Man sprach über den Ausbau des Flughafens, wollten aber andererseits nicht, dass mehr Lärm in die Stadt kommt. Man hätte das Gebäude erweitern können, aber sie wollten zusätzlich auch eine Bahnlinie, da Minneapolis stetig wuchs. Wir bekamen den Zug und es war eine wirklich gute Möglichkeit, Downtown-Minneapolis mit dem Flughafen und dem Einkaufszentrum zu verbinden. Inzwischen reicht der Zug sogar bis Downtown-St. Paul, der Hauptstadt.

Ihr habt kürzlich FLIVO® zur in vivo Bestimmung der Caspase-Aktivität neu eingeführt. Bitte erzähl uns mehr darüber.
Das ist sehr aufregend für uns. Unsere FLIVO®-Produktlinie haben wir 2005 entwickelt und 2012 zum Patent angemeldet. Im folgenden Jahr haben wir das Unternehmen aufgeteilt. Einer unserer Gründer nahm das FLIVO®-Patent mit und nutzte es mit seinem neuen Unternehmen. Im Jahr 2018 kaufte ich das Patent wieder zurück. ImmunoChemistry hat nun wieder die Rechte an FLIVO®. Wir freuen uns sehr über die Neueinführung der Linie, da es die Möglichkeit bietet den Zelltod in vivo darzustellen. Alles, was man tun muß ist, das Reagenz in das Tier zu injizieren und es dann in einem Ganzkörper-Imager zu fotografieren. Man kann aber auch dünne Gewebeschnitte herstellen und das Gewebe mit einem Mikroskop, einem Plattenleser oder einem Durchflusszytometer analysieren. Es ist eine wirklich einfache Möglichkeit, einen direkten Nachweis für den Zelltod zu verwenden, ohne Artefakte zu produzieren. Auf diese Weise kann man die Wirksamkeit von Chemotherapie direkt visualisieren. Wenn das Tier zum Beispiel eine Chemotherapie, eine medikamentöse Behandlung oder eine Bestrahlung erhält, können mit FLIVO® innerhalb von 15 Minuten die absterbenden Zellen farblich markiert werden. Dabei werden diese grün, rot oder im Infrarotbereich messbar und man kann direkt erkennen, ob ein Medikament wirkt oder nicht.

War es denn einfach, die Entwicklung von FLIVO® nach zwei Jahren wieder aufzunehmen?
Momentan haben wir vier FLIVO®-Produkte. Eines mit Carboxyfluorescein, also einem grünen Farbstoff und eines mit Schwefel-Rhodamin, also einem roten Farbstoff. Dann haben wir zwei Produkte, die im Nahinfrarotbereich leuchten, eines bei 690 nm und eines bei 747 nm. Inzwischen gibt es mehr als 100 Publikationen mit FLIVO®. Wir mussten also alle technischen Dokumentaionen aktualisieren und die alten Verbindungen zu den Instrumentenherstellern wieder herstellen. Es gibt viele neue Imaging-Geräte, die mit FLIVO® kompatibel sind. Jetzt bemühen wir uns darum den Forschern mitzuteilen, dass dieses Produkt wieder verfügbar ist. Es könnte die Krebsbehandlung revolutionieren. Wir hoffen, dass wir es eines Tages sogar dafür nutzen können, um z.B. Schäden bei einem Herzinfarkt darzustellen. Wenn jemand einen Herzinfarkt hat, dann könnte dieses Reagenz injiziert werden und in Echtzeit die entstandenen Schäden begutachtet und behandelt werden. Es könnte dabei helfen, bessere Behandlungsmöglichkeiten bei Krebs und anderen Krankheiten zu finden, die den Zelltod verursachen.

FAM-FLIVOCaspase-Aktivität im Rattenhirn: Mit FAM-FLIVO kann eindeutig zwischen gesunden und apoptotischen Neuronen unterschieden werden.

Das AACR Annual Meeting ist die weltweit größte Krebsforschungskonferenz und zieht jedes Jahr mehr als 18.000 Wissenschaftler an. Wie hat sich die Konferenz in Deinen Augen verändert?
Ich liebe die AACR. Ich glaube wir haben 2003 oder 2004 angefangen hierher zu kommen. Es ist viele Jahre her und es ist immer noch meine Lieblingskonferenz, weil die meisten unserer Kunden aus der Krebsforschung hier sind. Es ist wirklich aufregend zu hören, wie Menschen unsere Produkte verwenden. Auf diese Weise lernen wir einfach immer wieder etwas Neues und es gibt mir wirklich die Hoffnung, dass wir in der Lage sein werden, viele dieser Krankheiten zu heilen. Jeder hier ist ein Wissenschaftler und jeder ist spezialisiert auf einen biochemischen Signalweg. Es gibt eine Million Gründe, warum Menschen Krebs bekommen und es gibt hier wahrscheinlich jemanden, der genau das gerade untersucht. Mit der kritischen Masse, die wir insbesondere mit Forschern aus den Vereinigten Staaten, Deutschland, Japan, dem Vereinigten Königreich und Kanada haben, werden wir die Heilmittel in dieser Generation finden.

Hast du das Gefühl, dass sich die Konferenz in all den Jahren verändert hat?
Sie scheint einfach immer größer zu werden.

Aber es kamen auch einige neue Themen wie die Immuntherapie dazu.
Und CRISPR ist auch in diesem Jahr wieder riesig. Jetzt hoffen wir, dass FLIVO® hier abhebt. Die AACR nutzt inzwischen die Vorteile der elektronischen Medien, in dem man vorab auf die Poster und die Abstracts zugreiffen kann. Das gefällt mir sehr gut.

Ist es neu, dass die Vorträge gestreamt werden, oder gab es das schon früher?
Ich weiß nicht, wann sie damit begonnen haben, aber es macht die Forschungsdaten für alle zugänglich. Auch wenn man nicht an der Konferenz teilnehmen kann, kannst du zumindest auf die Inhalte zugreiffen. Es ist Teil der globalen Initiative zur Verbesserung der Gesundheit, und ich denke, dass die AACR dabei wirklich große Fortschritte macht.

Hast Du Zeit, die Poster zu besuchen und mit Forschern außerhalb des Standes zu sprechen?
Nicht so sehr, wie ich gern möchte. Für diese Konferenz haben wir nur zwei Leute mitgebracht. Es macht wirklich Spaß aber es bedeutet auch, dass wir hier in der Kabine bleiben müssen, um sicherzustellen, dass wir mit den Leuten interagieren können. Es ist aber auch eine gute Möglichkeit für uns, unsere internationalen Vertriebspartner zu treffen. Wir lernen also Kunden und Vertriebspartner kennen, und ich kann mich mit einigen Anbietern wie den Instrumentenherstellern in Verbindung setzen. Es ist einfach insgesamt eine wirklich gute Konferenz.

Welche Konferenz ist die nächste für Dich?
Wir gehen zu AACC, der American Association of Clinical Chemistry. Dieses Treffen konzentriert sich typischerweise auf unsere andere Produktlinie, die ELISA-Lösungen - also die klinische Diagnostik in den USA. Hier bei der AACR stehen eher unsere zellbasierten Assays im Vordergrund.

Die beiden Konferenzen scheinen eine offensichtliche Fortsetzung zu sein.
Im Moment streiten wir nur darüber, wer zu AACC gehen darf, denn die ist dieses Jahr in Los Angeles.

Dort wird es definitiv wärmer!
Es wird heiß, es wird sehr heiß im August.

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